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Versicherungsleistungen,
Beantragung, Durchsetzung
Versicherungsleistungen, Beantragung, Durchsetzung

Viele betroffene Familien wissen nicht, auf welche Versicherungsleistungen sie Anspruch haben und welche Kriterien für einen solchen Anspruch erfüllt sein müssen.

Es kann passieren, dass Invalidenversicherung (IV) und Krankenversicherung zu einer anderen Einschätzung eines Anspruches gelangen als die betroffenen Familien. Dies kann dazu führen, dass sich betroffene Familien in einem Rechtsstreit um ihre Rechte und Ansprüche einsetzen müssen. In anderen Fällen ist dagegen schnell klar, welche Leistungen die Versicherungen übernehmen und Eltern sowie Ärzt*innen müssen die passenden Anträge eingeben.


Informationen zum Haftungsausschluss

Wichtige Hinweise

Hinweis 1: Krankenversicherung vs. Invalidenversicherung (IV)

Die Unterscheidung Krankenversicherung vs. Invalidenversicherung ist mit Blick auf die Übernahme von Kosten für medizinische Massnahmen wichtig, wenn bei eurem Kind ein Geburtsgebrechen (siehe Geburtsgebrechenliste der IV) festgestellt wurde. Liegt bei eurem Kind ein Geburtsgebrechen vor, werden die Behandlungskosten in der Regel nicht von der Krankenversicherung übernommen, sondern von der IV. Sollte allerdings kein Geburtsgebrechen vorliegen (wie es bei vielen seltenen Erkrankungen der Fall ist), trägt die Krankenversicherung die Kosten für die Behandlung (im Vergleich zur IV werden allerdings keine Kosten für Reisespesen und Transporte übernommen). Im Prinzip ist also eine der beiden Versicherungen generell für die Übernahme der Behandlungskosten zuständig (IV bezahlt alle Behandlungskosten, bei der Krankenversicherung bleibt ein Eigenanteil = Selbstbehalt). Zudem gibt es weiter spezielle Leistungen der IV, die auch Kinder ohne Geburtsgebrechen erhalten können (z.B. Hilfsmitte, Hilflosenentschädigung, Intensivpflegezuschlag, Assistenzbeitrag – Begriffe werden weiter unten ausführlich erläutert). Wann welcher Anspruch besteht, wird weiter unten (Abschnitt Invalidenversicherung) aufgeführt.

Für Interessierte: auf iv pro medico werden viele wichtige Begriffe zum Thema Invalidenversicherung erklärt.

Hinweis 2: Rechtzeitig Leistungen der IV beantragen (z.B. Geburtsgebrechen, Hilflosenentschädigung)

Es ist wichtig, dass gleich nach Feststellung eines behandlungsbedürftigen Geburtsgebrechens die IV informiert wird. Ein solches Gebrechen wird mitunter direkt nach der Geburt oder im Verlauf der Entwicklung festgestellt. Die Meldung an die IV kann jedoch auch durch die Krankenversicherung des betroffenen Kindes erfolgen, wenn diese ein Interesse daran hat, dass die IV die Behandlungskosten des Geburtsgebrechen übernimmt. Habt auch ein Auge darauf, dass die IV informiert wird, sobald das behandlungsbedürftige Geburtsgebrechen festgestellt wurde. So könnt ihr entsprechend auch von Leistungen für Behandlungskosten profitieren, die damit einhergehen (insbes. Übernahme von Reisespesen und Transportkosten).

Wichtig: Jede Leistung der IV (med. Massnahmen, Hilflosenentschädigung, Intensivpflegezuschlag, Assistenzbeitrag, Hilfsmittel, berufliche Massnahmen) muss in erster Linie von euch Eltern bei der IV mit dem entsprechenden Formular angemeldet werden (das gilt auch für Einwände, Beschwerden und Abrechnungen). Ohne Anmeldung, keine Leistung bei der IV!

Wichtig: Die Anmeldung bei der IV muss rechtzeitig passieren, denn IV-Leistungen können diesbezüglich maximal ein Jahr rückvergütet werden. Auch die Anmeldung von Hilflosenentschädigung sollte rechtzeitig direkt nach Feststellung einer erhöhten Hilfsbedürftigkeit des Kindes erfolgen, da auch hier die Frist von maximal einem Jahr gilt, um Leistungen auch im Nachhinein zu beantragen.

Besonders schwierig wird es allerdings dann, wenn keine Diagnose vorhanden ist oder die seltene Krankheit auf keiner Liste geführt wird.

Tipp: Wartet bei einem offenen Antrag lieber zuerst auf die Bestätigung der IV oder Krankenversicherung für die Kostenübernahme, bevor ihr etwas bezahlt.

Hinweis 3: Frühe Beratung (z.B. durch Sozialdienste) und intensiver Austausch mit Ärzt*innen können helfen, die Formulare der IV auszufüllen und Ansprüche geltend zu machen

Es lohnt sich, sofort nach der Diagnose Hilfe in Anspruch zu nehmen und sich hinsichtlich der Anträge beraten zu lassen. Zu schnell werden Fehler in der Anmeldung gemacht, die später weitreichende Folgen haben können. Wenn beispielsweise ein Kreuzchen bei der IV-Anmeldung falsch gesetzt wird, kann das dazu führen, dass die beantragten Leistungen abgelehnt werden. Das Gleiche gilt auch für die Beschreibung der Einschränkungen eures Kindes. Die richtigen Antworten und Angaben sind enorm wichtig und können später nicht korrigiert werden. Hilfe beim Ausfüllen und Beantragen von IV-Leistungen (z.B. Hilflosenentschädigung, Intensivpflegezuschlag) bieten als primäre Anlaufstelle insbesondere Sozialdienste im Spital oder auch Beratungsstellen an, wie weiter unten aufgeführt (z.B. Pro Infirmis, Procap). Hier geht es um möglichst detaillierte und zutreffende Angaben zur vorliegenden Situation.

Ärzt*innen sollten insbesondere dann beigezogen werden, wenn es um Anträge für medizinische Massnahmen geht. Hier werden die zuständigen Ärzt*innen von der IV-Stelle nach erfolgter Anmeldung aufgefordert einen Bericht einzureichen.

Wichtig: Die Fachpersonen können die Anträge zwar ausfüllen, ihr als Eltern müsst diese allerdings bei der IV einreichen.


Hinweis 4: Seid klar und ehrlich bei der Antragstellung sowie den Hausbesuchen der IV (und nicht beschönigend/übertreibend)

Die IV ermittelt den Grad der Hilflosigkeit (bzgl. Hilflosenentschädigung, Intensivpflegezuschlag und Assistenzbeitrag) durch die IV-eigenen Abklärungsdienste, und zwar üblicherweise im Rahmen eines Hausbesuchs.

Bereitet euch gut auf dieses Gespräch vor und teilt alle Beeinträchtigungen eures Kindes mit, ohne die Situation zu beschönigen. Hier gilt es nicht zu übertreiben, sondern klar und ehrlich zu sein, auch dahingehend was euer Kind kann oder eben nicht kann. Denn neben euren Aussagen kann die IV z.B. auch Arztberichte anfordern oder weitere Fachpersonen hinzuzuziehen. Unstimmigkeiten in den Aussagen sollten entsprechend vermieden werden.

Wichtig: Generell benötigen Babys sowie Kleinkinder ihrer altersgemässen Entwicklung entsprechend sehr viel Unterstützung und Betreuung. Hier wird eine Hilfsbedürftigkeit nur dann berücksichtigt, wenn behinderungsbedingt ein erheblicher Mehrbedarf an Hilfeleistung im Vergleich zu einem Kind "ohne besondere Bedürfnisse" gleichen Alters besteht. Hierzu kann eine Zusammenarbeit mit der Kinderspitex oder der Sozialberatung hilfreich sein. Diese Anlaufstellen können meist sehr gut einschätzen, ob sich die Betreuung/ Unterstützung im "normalen" Rahmen verhält oder ein grosser Mehraufwand besteht.

Hinweis 5: Betreuungsaufwand visualisieren, um Entlastungspotenziale zu erkennen

Schreibt doch mal ein Tagebuch darüber, was ihr den ganzen Tag hinweg mit eurem erkrankten Kind macht. Eine Visualisierung des Betreuungsaufwandes zum Beispiel anhand eines Tagebuches kann helfen, Entlastungsmöglichkeiten aufzudecken.

  • Wie lange braucht ihr für die verschiedenen Tätigkeiten?
  • Welche Hilfsmittel benötigt ihr dafür, wo werden sie besorgt und was kosten diese?
  • Wer übernimmt welche Aufgaben?
  • Welche Aspekte der Pflege und Betreuung belasten euch am meisten?

Zusätzlich kann die Einführung eines Punktesystems dabei unterstützen, die Belastung zu gewichten. Dies hilft euch dabei, die Herausforderungen zu priorisieren und kann allenfalls bei der Beantragung von Unterstützungsleistungen (z.B. durch die IV) beigezogen werden.

Hinweis 6: Caritas Kulturdolmetscher*innen helfen fremdsprachigen Eltern bei Antragstellung

Fremdsprachige Familien haben einen deutlichen Nachteil, wenn es darum geht, Versicherungsleistungen zu beantragen. Jedoch vermittelt zum Beispiel Caritas Personen, sogenannte Kulturdolmetscher, die bei administrativen Fragen helfen, übersetzen und beratend zur Seite stehen. Zudem setzen viele fremdsprachige Familien auch auf Menschen aus ihrem (engeren) Bekanntenkreis, die als Übersetzer*innen in Beratungsgespräche mitgenommen werden dürfen.

Hinweis 7: Anmeldung bei einem Verein für Rechtsberatung und -vertretung

Meldet euch möglichst bald nach der Feststellung der Erkrankung eures Kindes bei einem Verein oder Verband für Menschen mit besonderen Bedürfnissen in eurem Wohnkanton für einen Beratungstermin an.

Die unten angeführten Rechtsberatungsstellen helfen euch einzuschätzen, worauf ihr einen Anspruch habt (z.B. Hilflosenentschädigung, Assistenzbeitrag, Intensivpflegezuschlag) und wie ihr bei einem negativen Bescheid der IV vorgehen könnt. Zum Teil vertreten euch diese Anlaufstellen auch im Falle eines Rechtsstreits. Oft arbeiten sie dabei mit Juristinnen und Juristen zusammen, die auf dieses Themengebiet spezialisiert sind. Die Spezialisierung kann hier von Vorteil sein, um einschätzen zu können, wann sich ein Rekurs oder sogar Rechtsstreit "lohnt" und wie dieser im besten Fall zu führen ist. Das Wichtigste ist, dass ihr euch nach der Diagnosestellung im besten Fall umgehend meldet. Doch prüft zuvor auch, ob ihr ggf. über eine Rechtschutzversicherung verfügt, die für euer Anliegen einstehen kann.

Hinweis 8: Rechtzeitig eine Zusatzversicherung beantragen

Im Bereich seltener Erkrankungen können mitunter Therapien und Behandlungen von betroffenen Kindern empfehlenswert sein, die nicht über die obligatorische Krankenpflegeversicherung abgedeckt sind. Hier kann eine Zusatzversicherung im Bereich Komplementärmedizin hinsichtlich Therapien und Heilmittel (z.B. Homöopathie, traditionelle chinesische Medizin) empfehlenswert sein.

Eine andere Zusatzversicherung, die sich in der Regel immer empfiehlt, ist die Zahnzusatzversicherung. Die Prämie ist bei Kindern meist noch preiswert und deckt je nach Krankenversicherung eine Vielzahl von Leistungen ab, die die IV mitunter nicht übernimmt. Hier ist wichtig, dass ihr euch rechtzeitig informiert, Vergleiche zwischen verschiedenen Anbieter*innen zieht und bei Interesse die Versicherung im besten Fall noch vor Diagnosestellung (ggf. sogar schon vor der Geburt) abschliesst. Denn anders als bei der Grundversicherung können Kranken­versicherungen hier Anträge ableh­nen. Wird bei einem Neugeborenen eine Krankheit festgestellt, dürfte es schwierig werden, später eine Zu­satzversicherung zu finden.

Hinweis 9: Eine super Übersicht findet ihr im Procap Ratgeber: "Was steht meinem Kind zu?"

Im Ratgeber "Was steht meinem Kind zu?" von Procap finden Eltern von Kindern mit besonderen Bedürfnissen alle wichtigen Informationen zum Sozialversicherungsrecht. Er beschreibt die Themen mit konkreten Beispielen aus der Beratungspraxis von Procap und gibt Tipps. Auch Ansprüche gegenüber anderen Versicherungen (Krankenversicherung, Unfallversicherung etc.) oder Themen wie die schulische und berufliche Integration werden behandelt. Letztendlich informiert der Ratgeber über den jeweiligen Verfahrensweg.

Wichtige Fragen - Invalidenversicherung

Welche Kosten können von der Invalidenversicherung (IV) übernommen werden?

Kinder und Jugendliche mit einer seltenen Erkrankung können bis zu ihrem 20. Lebensjahr durch die IV hinsichtlich medizinischer Massnahmen (Übernahme von z.B. Behandlungskosten, Reisespesen und Transportkosten, Kinderspitex) unterstützt werden, sofern ein behandlungsbedürftiges Geburtsgebrechen vorliegt.

Für Behandlungskosten, die nicht im Zusammenhang mit dem behandlungsbedürftigen Geburtsgebrechen stehen, kommt die Krankenversicherung auf. Diese trägt die Behandlungskosten ebenfalls, wenn kein Geburtsgebrechen vorliegt. Zudem übernimmt die IV im Gegensatz zur Krankenversicherung sämtliche Kosten ohne Abzug eines Selbstbehalts. Die meisten anderen Leistungen der IV (wie Hilflosenentschädigungen, Abgabe von Hilfsmitteln und Assistenzbeiträge) greifen ein Leben lang. Der Intensivpflegezuschlag kann dagegen nur bis zum 18. Lebensjahr bei der IV beantragt werden. Ob und wie hoch der Anspruch auf diese Leistungen ist, wird von den kantonalen IV-Stellen abgeklärt. Viele IV-Stellen bieten zudem Informationsveranstaltungen in ihrem Kanton an, um Fragen von betroffenen Eltern zu beantworten (wie z.B. die IV Bern). Schaut doch mal, ob es dazu etwas in eurem Kanton gibt. Zudem kann es hierfür sinnvoll und empfehlenswert sein, ebenfalls unabhängige Beratungsstellen aufzusuchen – wie weiter unten aufgeführt (z.B. Spital Sozialdienste, Pro Infirmis, Procap), die insbesondere auf das Thema "Umgang mit Ablehnungsbescheiden" spezialisiert sind.  

Was verbirgt sich hinter dem Begriff Geburtsgebrechen?

Alle als Geburtsgebrechen definierten Krankheiten sind auf der Liste der Geburtsgebrechen aufgeführt. Ein solches Gebrechen wird mitunter direkt nach der Geburt festgestellt oder im Verlauf der Entwicklung des Kindes. Wichtig ist, dass die Anmeldung (meist durch Ärzt*innen vorgenommen) rechtzeitig erfolgt, denn IV-Leistungen können maximal 1 Jahr rückvergütet werden. Bei Versicherten mit einem Geburtsgebrechen, das von behandelnden Ärzt*innen und der IV als behandlungsbedürftig eingestuft wurde, übernimmt die IV alle zu deren Behandlung notwendigen medizinischen Massnahmen vor dem vollendeten 20. Altersjahr (auch anfallende Reisespesen und Transportkosten, die im Zusammenhang mit der Behandlung stehen). Ab dem vollendeten 20. Lebensjahr ist dann die Krankenversicherung für die Finanzierung der medizinischen Massnahmen zuständig.

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Liste der Geburtsgebrechen

Was verbirgt sich hinter dem Begriff Hilflosenentschädigung?

Hilflosenentschädigung kann betroffenen Familien unabhängig davon ausbezahlt werden, ob ihr Kind ein Geburtsgebrechen hat oder nicht. Zur Einschätzung der Hilflosenentschädigung werden im Rahmen von Hausbesuchen durch die IV sechs alltägliche Lebensverrichtungen (Aufstehen/Hinlegen, Ankleiden, Essen, Körperpflege, Verrichten der Notdurft und Fortbewegung/Soziale Kontakte) beurteilt. Abhängig davon, in wie vielen dieser Punkte das Kind regelmässig und erheblich, also im Prinzip täglich, auf Dritthilfe angewiesen ist, wird die Hilflosigkeit (in drei Schweregraden) eingestuft. Hierbei ist wichtig, dass die Zeit, die sich die Spitex dem Kind widmet, vom Mehraufwand der Eltern abgezogen wird. Je höher der Schweregrad ausfällt, desto höher fällt die Hilflosenentschädigung aus. Wer eine Hilflosenentschädigung beansprucht, muss jeweils alle 3 Monate ein Formular ausfüllen und an die IV-Stelle schicken. Auf diesem muss aufgeführt werden, an welchen Tagen das Kind zu Hause gewohnt und welche Tage es in einem Spital oder Heim verbracht hat. Die Auszahlung erfolgt nach Eingang des Formulars. Dabei ist die Verwendung der Hilflosenentschädigung nicht zweckgebunden. Eltern müssen daher nicht angeben, wofür sie das Geld verwenden.

Wichtig: Die Hilfebedürftigkeit muss während mindestens einem Jahr bestehen. Wenn also beispielsweise eine OP in 4 Monaten ansteht, nach welcher die Hilfsbedürftigkeit weniger sein sollte, entsteht kein Anspruch auf Hilflosenentschädigung – auch wenn die Monate bis zur OP für die Familie sehr aufwendig und belastend sein können. Gleichzeitig gilt aber ein Sonderfall bei Kindern unter 1 Jahr: wenn im ersten Lebensjahr bestätigt werden kann, dass die Hilfebedürftigkeit auch länger als ein Jahr dauern wird (z.B. bei einem Syndrom) wird die Hilflosenentschädigung auch ohne Wartejahr bewilligt. D.h. der 1. Geburtstag kann u.U. sehr wichtig sein. Das Anmeldeformular muss also zwingend vor dem ersten Geburtstag bei der IV vorliegen.

Was verbirgt sich hinter dem Begriff Intensivpflegezuschlag?

Der Intensivpflegezuschlag der IV ist für Minderjährige gedacht, die eine besonders intensive Pflegebehandlung benötigen. Voraussetzung ist, dass Eltern für ihr betroffenes Kind bereits Hilflosenentschädigung erhalten.

Je nach Einschätzung des Schweregrades (orientiert an der Einschätzung der sechs Lebensverrichtungen der Hilflosenentschädigung, wobei Fortbewegung nicht angerechnet wird) zahlt die IV einen bestimmten Betrag an die betroffenen Familien aus, der für die zusätzliche Betreuung aufgewendet werden darf und ebenfalls nicht zweckgebunden ist.

Was verbirgt sich hinter dem Begriff Assistenzbeitrag?

Der Assistenzbeitrag der IV bietet Familien von Kindern mit besonderen Bedürfnissen die Möglichkeit, eine Assistenz zur Betreuung und Entlastung einzustellen. Diese wertvolle Unterstützungsleistung dient dazu, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung von Personen mit besonderen Bedürfnissen zu fördern, damit diese weiterhin zu Hause leben können. Anspruch auf Assistenzbeiträge haben Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre, die eine Hilflosenentschädigung der IV beziehen und entweder die Regelschule besuchen oder einen Anspruch auf einen Intensivpflegezuschlag von über 6 Stunden haben. Die Höhe des Assistenzbeitrags, beziehungsweise der regelmässige Hilfebedarf, wird bei einer Abklärung vor Ort ermittelt. Bei Kindern und Jugendlichen betrifft die Einschätzung insbesondere die Hilfe bei alltäglichen Lebensverrichtungen (z.B. Körperpflege, Fortbewegung oder An-/Ausziehen), bei der gesellschaftlichen Teilhabe und Freizeitgestaltung, aber auch für die Überwachung während des Tages oder bei medizinisch notwendiger Hilfe während der Nacht. Lasst euch bezüglich der Assistenzbeiträge der IV bei Beratungsstellen wie Pro Infirmis oder Insieme Schweiz beraten.

Wo ihr eine geeignete Assistenz für euer Kind findet, wir hier näher erläutert: "Entlastung durch Pflege und Betreuung"

Was verbirgt sich hinter dem Begriff Hilfsmittel?

Versicherte Kinder und Jugendliche mit einer gesicherten Diagnose haben bei der IV Anspruch auf Hilfsmittel im Bereich "Mobilität" sowie "Selbstständigkeit und Pflegeerleichterung". Diese sollen ihnen ermöglichen, ihren privaten Alltag möglichst selbständig und unabhängig zu bewältigen. Kinder und Jugendliche (Personen jünger als 20 Jahre) mit einem anerkannten Geburtsgebrechen haben unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Behandlungsgeräte. Zudem haben sie Anspruch auf solche Geräte, wenn ihr Einsatz im Zusammenhang mit einer von der IV zugesprochenen medizinischen Massnahme erforderlich ist. Nicht immer zahlt die IV Hilfsmittel. Für den Fall, dass dies so ist, gibt es Vereine und Stiftungen, die finanziell unterstützen oder günstige Hilfsmittel anbieten. Auch Secondhand-Börsen auf Social Media und Co können eine geeignete Anlaufstelle sein (siehe unten).

Wichtige Fragen - Krankenversicherung

Welche Kosten können von der Krankenversicherung übernommen werden?

Wenn bei eurem Kind kein Geburtsgebrechen besteht, bezahlt die Krankenversicherung die Behandlungskosten (z.B. Arzt-/Spital-Rechnungen, Therapien, Medikamente, Kinderspitex). Die Grundversicherung übernimmt die Kosten für Behandlungen, die von Ärzt*innen in Rechnung gestellt werden sowie für notwendige Medikamente, die von Ärzt*innen verschrieben werden. Anspruch auf Leistungen aus der Grundversicherung besteht auch in Notfällen, für Transporte und Rettungsaktionen sowie im Spital und in teilstationären Einrichtungen. Therapeutische Massnahmen wie Ergo- und Physiotherapie sowie präventive Massnahmen, Ernährungs- und Diabetesberatungen sind ebenfalls abgedeckt, wenn sie ärztlich verordnet sind. Weitere Leistungen werden ausserdem bei Rehabilitationen, Pflege, logopädischen Therapien oder Behandlungen bei einem Chiropraktiker ausbezahlt. Komplementärmedizinische Behandlungen wie Akupunktur oder Arzneimitteltherapie der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) werden übernommen, wenn sie von Ärzt*innen mit einem Facharzttitel und einer entsprechenden anerkannten Weiterbildung erbracht werden oder wenn das Kind über eine entsprechende Zusatzversicherung verfügt.

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Leistungen und Tarife

Werden allenfalls die Kosten einer genetischen Untersuchung übernommen?

Bei einem Kind mit unklarer Diagnose und Verdacht auf eine seltene genetische Krankheit ist die Kostenübernahme für die genetische Diagnostik eigent­lich eine Pflichtleistung der Grund­versicherung (die IV ist entsprechend nicht zuständig und übernimmt Kosten nur in einzelnen Fällen). Wer nicht selbst für die Kosten aufkommen möchte, muss deshalb vor Analysebeginn mit einer längeren Zeit für die Klärung der Kostenübernahme rechnen und in der Regel ein Kostengesuch bei der Krankenversicherung einreichen. Dies ist nur in den Fällen 1 und 2 nicht notwendig:


(1) Besteht während der Schwangerschaft ein Verdacht, ist immer ein grosser Zeitdruck vorhanden. In dieser Situation ist es für Chromosomenuntersuchungen nicht notwendig, ein Gesuch bei der Krankenversicherung einzureichen und die Analyse kann sehr schnell durchgeführt werden.


(2) Wenn das Kind nach der Geburt längere Zeit im Spital liegen muss, übernimmt das Spital mitunter die Kosten für einen Gentest.


(3) In allen anderen Fällen, wenn das Kind also bereits geboren ist und nicht so schwer krank ist, dass es im Spital bleiben muss, sollte erst ein Gesuch zur Kostenübernahme eingereicht werden, um sicherzugehen, dass die Grundversicherung die Kosten für die diagnostischen Gentests übernimmt.


Hierbei muss die behandelnde Ärztin bzw. der behandelnde Arzt eine Anfrage an die Krankenversicherung stellen, die die Notwendigkeit des Tests auf therapeutischer Ebene begründet. Dabei muss jede medizinische Leistung die sogenannten WZW-Kriterien erfüllen. WZW steht für Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit. Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass die Kostenübernahme abgelehnt wird.

Werden bestimmte Medikamente spezifisch für die seltene Erkrankung von der Krankenversicherung übernommen?

Seltene Krankheiten erfordern häufig den Einsatz seltener Medikamente, welche zum Teil erst jüngst entwickelt wurden. Die Zulassung dieser Medikamente und deren Aufnahme in die Spezialitätenliste erfordert im Rahmen von Studien vorab den Nachweis von Wirksamkeit und Sicherheit. Bei Medikamenten für seltene Krankheiten vergehen trotz erbrachtem Nachweis häufig Jahre, bis eine offizielle Zulassung erfolgt. Darum werden die Medikamente nicht per se von der Grundversicherung übernommen, sondern es muss dafür von der zuständigen Fachperson eine Kostengutsprache eingereicht werden. Diese Medikamente sind oftmals sehr teuer und die Krankenversicherungen können daher die Kostenübernahme verweigern.

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Spezialitätenliste

Wichtige Fragen - Administrative Unterstützung

Wie ist der Ablauf bei der IV-Antragstellung und wer unterstützt speziell beim Ausfüllen der IV-Dokumente?

In der Regel werden die Formulare via Internet ausgefüllt. Der administrative Aufwand ist erheblich. Lasst euch bezüglich der Versicherungssituation gut beraten, damit ihr die euch zustehende Unterstützung erhaltet. Die IV-Anmeldung muss vollständig ausgefüllt und mit entsprechenden Beilagen an die IV-Stelle eures Wohnkantons eingeschickt werden. Bis Familien den Entscheid der IV bezüglich medizinischer Massnahmen erhalten, vergeht einige Zeit (mehrere Wochen bis Monate). Bis dahin ist die Krankenversicherung vorleistungspflichtig. Unterstützung können insbesondere die folgenden fünf Anlaufstellen bieten: Sozialdienste im Spital, Procap, Pro Infirmis, Insieme und Vereinigung Cerebral, die schweizweit und erkrankungs-unspezifisch Beratungsdienste anbieten. Zudem gibt es eine Vielzahl weiterer Patientenorganisationen, -stiftungen und Co., die ebenfalls zu Versicherungsleistungen beraten und dabei teilweise auf spezifische Erkrankungen und/oder Regionen spezialisiert sind.

insieme Schweiz

insieme unterstützt Menschen mit geistiger Behinderung und ihre Angehörigen, damit sie Probleme oder Herausforderungen im Zusammenhang mit der geistigen Behinderung besser bewältigen können. insieme bietet dazu Informationen, praktische Tipps in Ratgebern und Broschüren sowie Beratungen und Auskünfte an.

Das Team der Geschäftsstelle berät die Familien in rechtlichen und sozialpolitischen Fragen und bietet zudem fachliche Unterstützung.

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Unterstützung und Beratung

Procap

Procap unterstützt Familien von Kindern mit Behinderungen bei Fragen zum Sozialversicherungsrecht und bietet sowohl individuelle Beratungen (wo und wann sie Sozialversicherungsansprüche anmelden können) als auch Rechtsvertretungen an. Zudem bietet Procap Jugendlichen mit Behinderungen und ihren Eltern eine sogenannte Checkberatung an (erste Beratung ist kostenfrei), in welcher geprüft wird, ob die Weichen für den Übergang ins Erwachsenenalter korrekt gestellt sind.

Pro Infirmis

Als Fachorganisation für Menschen mit Behinderungen setzt sich Pro Infirmis für Selbstbestimmung und Inklusion ein. Pro Infirmis berät, begleitet und unterstützt dabei schweizweit Menschen mit Behinderungen und ihre Angehörigen.

Die Sozialarbeiter*innen von Pro Infirmis verfügen über umfassendes Fachwissen im Bereich Sozialversicherungen und arbeiten oft mit Jurist*innen zusammen.

Sozialdienste Kinderspitäler

Die Sozialdienste der Schweizer Kinderspitäler sind nicht nur für Familien mit geringem Einkommen und Anspruch auf Sozialhilfe gedacht. Es handelt sich um Anlaufstellen für alle Familien, deren Kinder eine seltene Erkrankung haben, um in Bezug auf Fragen zu Sozialrecht, Versicherungen und Kosten im Zusammenhang mit der Behandlung zu beraten.

Zudem unterstützen die Sozialdienste beim Organisieren von Entlastung im Alltag und vermitteln nach Möglichkeit weiterführende Fachstellen in der jeweiligen Wohnregion.

Stiftung Mosaik

Die Beratungsstelle bietet Menschen mit einer Behinderung und ihren Angehörigen umfassende Beratung, Begleitung und Informationen. Die Dienstleistungen sind in der Regel unentgeltlich und erfolgen auf freiwilliger Basis.

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Beratung

Vereinigung Cerebral Schweiz

Vereinigung Cerebral Schweiz informiert und unterstützt Menschen mit cerebraler Behinderung und deren Angehörige. Familien werden in ihren Anliegen wie Gleichstellung, Selbstbestimmung, Inklusion etc. unterstützt.

Wichtige Fragen - Rechtsberatung

Welche rechtlichen Möglichkeiten stehen den Eltern nach abgelehnten Entscheidungen der IV oder Krankenversicherung zur Verfügung?

Ablehnungen der Versicherungen können innerhalb einer Frist von i.d.R. 30 Tagen mit einer Eingabe (bei einem Vorbescheid) oder mit einem Rekurs (bei einer Verfügung) angefochten werden. Hier empfiehlt es sich, nur einen Rekurs einzuleiten, wenn auch Erfolgsaussichten bestehen. Für die Überprüfung und die mögliche Vertretung, braucht es in aller Regel Fachleute wie Sozialversicherungsfachleute oder Rechtsanwälte, die im besten Fall auf seltene Erkrankungen spezialisiert sind. Falls ihr eine Rechtschutzversicherung habt (diese solltet ihr im besten Fall vor der Geburt eures Kindes abschliessen), lasst euch auch hier beraten. Die beiden grössten Rechtsdienste, die schweizweit und krankheitsunspezifisch Rechtsberatung sowie -vertretung anbieten sind Inclusion Handicap und Procap. Darüber hinaus bietet eine Vielzahl an Stiftungen und Vereinigungen ebenfalls rechtliche Beratung an.

Im Prinzip könnt ihr auch auf andere Anwält*innen zurückgreifen (z.B. schadensanwaelte.ch). Es empfiehlt sich jedoch jene zu beauftragen, die spezialisiert auf seltene Erkrankungen spezialisiert sind. Zudem beraten auch die Anlaufstellen, die euch bei der IV-Antragstellung unterstützen (siehe oben) bzgl. rechtlicher Fragestellungen (und das häufig kostenfrei). Diese bieten in der Regel jedoch keine Rechtsvertretung an. Sozialberatungsstellen arbeiten teils eng mit Rechtsberatungsdiensten zusammen und können je nach finanzieller Situation/Rechtsschutzversicherung der Familien den richtigen Rechtsdienst vermitteln. Auch bieten manche Kinderspitäler kostenlose Rechtssprechstunden mit Procap an, in der Eltern eine erste rechtliche und kostenlose Einschätzung zu ihren Fragen erhalten.

Inclusion Handicap

Die Rechtsberatung von Inclusion Handicap bietet Menschen mit Behinderungen sowie ihren Angehörigen und Betreuungspersonen unentgeltliche Rechtsberatung und Vertretung an. Diese Dienstleistungen stehen allen Betroffenen zu, unabhängig von der Art der Behinderung und von der Mitgliedschaft in einer Organisation. Die Rechtsberatung umfasst die Bereiche Behindertengleichstellungs- und Sozialversicherungsrecht.

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Rechtsberatung

Ombudsstelle Krankenversicherung

Wenn Probleme mit der obligatorischen Kranken- oder Zusatzversicherung bestehen, können sich Versicherte unentgeltlich an die Ombudsstelle Krankenversicherung wenden. Es handelt sich um eine Beschwerde- bzw. Schlichtungsstelle.

Procap

Der Rechtsdienst Procap unterstützt Familien von Kindern mit Behinderungen bei Fragen zum Sozialversicherungsrecht und bietet sowohl individuelle Beratung (wo und wann sie Sozialversicherungsansprüche anmelden können) als auch Rechtsvertretung an.

Interessante Links

Rechtsdienst

Rechtberatungsstelle UP

Die Rechtberatungsstelle UP für Unfallopfer, Versicherte und Patient*innen engagiert sich unter anderem im Bereich IV-Leistungen (auch Haftungsansprüche, Krankheit und Lohn etc.) und kann damit für betroffene Familien eine passende Anlaufstelle sein. Die Leistungen sind dabei kostenpflichtig.  

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Rechtsberatung

Wie kann ich mich zum Thema Erben und Vorsorgen informieren und vorbereiten?

Für Angehörige von Menschen mit einer Behinderung stellen sich im Hinblick auf das Erben viele Fragen. Es empfiehlt sich Erbschaftsplanung frühzeitig anzugehen und auf die individuelle Situation der Familie anzupassen. Dazu gehört auch ein Überblick über das vorhandene Vermögen. Viele wichtige Auskünfte gibt Procap in einem zusammenfassendem Merkblatt. Schaut hier hinein und wendet euch bei Fragen z.B. an Procap oder die oben erwähnten rechtlichen Anlaufstellen.

Fragen - Alternative Optionen

Welche Möglichkeiten gibt es für Familien mit einem Kind mit besonderen Bedürfnissen, wenn die finanziellen Mittel aus IV und/oder Krankenversicherung nicht ausreichen?

In erster Linie muss geprüft werden, ob alle sozialversicherungsrechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Dies braucht in der Regel eine Fachberatung. In Fällen grosser finanzieller Notlage können allenfalls Stiftungen spezifische Kosten übernehmen oder sich anteilsmässig beteiligen.


Schaut hierfür bei

Finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten

Interessante Fach-Beiträge aus den KMSK Wissensbüchern «Seltene Krankheiten»

1. KMSK Wissensbuch «Seltene Krankheiten – Einblicke in das Leben betroffener Familien»

Gabriela Blatter, Fürsprecherin, Fachmitarbeiterin Recht/Gleichstellung bei Inclusion Handicap, Dachverband der Behindertenorganisationen in der Schweiz, Bern: «Wenn alles Reden nichts mehr nützt und nur der Gang vor den Richter bleibt»

2. KMSK Wissensbuch «Seltene Krankheiten – Der Weg - Genetik , Alltag, Familien- und Lebensplanung»

Beatrice Leutwiler, Berufsbeiständin Erwachsenenschutz, Stadt Wetzikon: «Fehlende Wissensvermittlung bei Sozialleistungen»


Irene Weber-Hallauer, Sozialberatung Universitäts-Kinderspital Zürich: «Alleinerziehende sind häufig existenziellen finanziellen Schwierigkeiten ausgesetzt»


Martin Boltshauser, Rechtsdienst Procap, Mitglied der Geschäftsleitung: «Frühzeitige Beratung ist das A und O»

3. KMSK Wissensbuch «Seltene Krankheiten – Therapien für Kinder und Unterstützung für die Familie»

Stefan Michel, Beratungsstelle Stiftung Mosaik, Pratteln: «Das wichtigste ist, dass die Eltern sich sofort beraten lassen»


Roger Wicki, Teamleiter Abklärungsdienste Leistungen, IV Luzern: «Ein wichtiger Beitrag für mehr Selbständigkeit im Alltag»

4. KMSK Wissensbuch «Seltene Krankheiten – Psychosoziale Herausforderungen für Eltern und Geschwister»

Stephanie M. Fritschi, Inhaberin, Schreibfee.ch: Hilfe Annehmen bei finanziellen Engpässen»

5. KMSK Wissensbuch «Seltene Krankheiten – Digitale Wissensplattform für Eltern und Fachpersonen»

Dieter Widmer, IV-Stelle Kanton Bern:

Invalidenversicherung: Geprägt von Komplexität und föderalistischer Durchführung


Martin Boltshauser, Procap Schweiz: Frühzeitig Hilfe annehmen lohnt sich


Franziska Venghaus-Eisterer: AXA-Arag Rechtsschutzversicherung: Hilfe bei Streitigkeiten mit der IV